Tempel Trouble 

Es war mal wieder ein verrückter Start, als wir uns auf den Weg zum Flughafen machten, um unser nächstes Ziel, den Wolkenpass, zu erreichen. Insgesamt drei Umstiege benötigten wir, bevor uns am Ende ein freundlicher Privatfahrer rettete und uns sicher zum Flughafen brachte. Warum sollte unser Bustransfer auch einmal reibungslos verlaufen? Wir wollten Abenteuer. Wir bekamen es. Im Flughafen erwarteten uns leckere Crêpes zum Abendessen, mit denen wir uns die anstrengende Anreise etwas versüßen konnten. Nachdem eine Durchsage unseren Flug auf eine Stunde Verspätung ankündigte, sorgte Lars während der Wartezeit für Unterhaltung, indem er die anderen Fluggäste mit seiner Jonglagekunst beeindruckte. Wenigstens funktionierte der Flug nach Da Nang reibungslos, sodass wir schon eine Stunde später unsere Backpacks vom Rollband zogen. Nach unserer Ankunft verhandelten wir kurz mit einem Taxifahrer, der uns schließlich zu unserem Hotel brachte. Völlig erschöpft fielen wir in unsere Betten und freuten uns auf den kommenden Tag.

Am nächsten Morgen genossen wir ein köstliches Frühstück in einem gemütlichen Café und überlegten, wie wir unsere Reise fortsetzen sollten. Aufgrund von Erzählungen anderer Reisender fragten wir uns, ob wir die Kaiserstadt Hue noch besichtigen oder lieber direkt nach Hoi An, der Stadt der leuchtenden Laternen, weiterreisen sollten. Zum ersten Mal auf unserer spontanen Reise waren wir damit konfrontiert, über die Weiterreise zu grübeln und eine Entscheidung zu treffen. Wir verschoben diese lieber auf die nächste Kaffeepause.

Die morgendliche Erkundung von Da Nang führte uns entlang des Strandes, und in der Ferne konnten wir die majestätische Lady Buddha schon auf dem Berg thronen sehen. Nach einem dreiviertelstündigem Spaziergang merkten wir, dass der Weg zu Lady Buddha länger war als erwartet – dabei schien sie zum Greifen nah! Kurzerhand entschieden wir der Hitze mit einer klimatisierten Taxi-Abkürzung zu entfliehen. Bei ihrer Majestät genossen wir eine herrliche Aussicht auf Da Nang, besichtigten die Tempelanlage und kühlten uns mit einem erfrischenden Eis ab.

Unser Versuch, zu den Con Markets zu laufen, wurde von Google Maps als eineinhalb Stunden Fußmarsch angezeigt – wir hatten die Größe Da Nangs wohl maßlos unterschätzt. Unsere Lauf-Motivation sank und wir entschieden uns abermals für ein Taxi. Das Markttreiben war kunterbunt und zunächst eine wahrhafte Reizüberflutung. Als wir uns etwas orientiert hatten, suchte sich Leslie ein orangefarbenes Kleid aus, während Lars typische lokale Gerichte probierte, darunter My Quang, ein Gericht mit Hähnchen, Reisbandnudeln, Nüsse,  Salat und ein paar nicht identifizierbaren Fleischstücken – vielleicht sogar Hund?!

Nach einem weiteren Marktbesuch, der leider viel zu überfüllt war, machten wir uns auf den Weg zur Dragon Bridge. Am Fluss wurden wir von einem Mann auf einem Motorrad angesprochen, der sich als freundlich und neugierig herausstellte. Er bot an, uns am nächsten Morgen zusammen mit seinem Teamkollegen nach Hoi An zu bringen und uns auf dem Weg die Marble Mountains zu zeigen. In seiner Tasche kramte er ein Buch heraus, in dem zahlreiche Erfahrungsberichte von anderen Reisenden standen, die total begeistert waren. Wir zögerten, da wir zweifelten, ob die beiden unsere großen Rucksäcke zusammen mit uns auf ihren Motorrädern transportieren konnten. Inzwischen war auch der zweite Biker angekommen. Die beiden stellten sich uns als Thrung und Throng (ausgesprochen Dung und Dong) vor und versicherten uns, dass wir erst bezahlen würden, wenn wir heil mit all unserem Gepäck in Hoi An angekommen waren. Am Ende ließen wir uns überzeugen und verabredeten uns für den nächsten Morgen. 

Nach dieser aufregenden Vereinbarung entspannten wir uns bei einem wohltuenden Kaffee und bewunderten den Sonnenuntergang an der Dragon Bridge, während der Drache zu leuchten begann. Wir schlenderten über einen beleuchteten Steg, dessen Laternen mit roten Herzen mit dem Drache um die Wette strahlten – sehr romantisch! Später besuchten wir den Nachtmarkt, wo Lars sich einen thailändischen Bananen-Pancake gönnte. Wir schlenderten durch die Stände und teilten uns eine viel zu fettige Kartoffellanze. Auf dem Nachtmarkt gab es reichlich Essen an jeder Ecke – Barbecue, frisch zerlegter Hummer und vietnamesische Pfannkuchen, alles was das Herz begehrte. Die Verkäufer versuchten, uns mit ihren duftenden Ständen zu locken, doch wir waren nach der Kartoffellanze pappsatt. Leslie ließ sich zum Abschluss des Tages zu einer Massage überreden, während Lars sich den zweiten Bananen-Pancake holte. Das war wohlgemerkt ein Fehler, denn auf dem Heimweg bekam Lars Magenprobleme, und der Pancake fand nachts seinen eigenen Weg zurück nach draußen…

Am nächsten Morgen wachten wir beide nach einer anstrengenden Nacht mit Übelkeit auf – irgendwas hatten wir uns eingefangen. Gebeutelt schleppten wir uns zum Frühstück in das charmante Café, das uns bereits am Vortag mit einer köstlichen Smoothie Bowl versorgt hatte –  heute verstärkte diese die Übelkeit nur noch. Doch trotz dieser unangenehmen Voraussetzungen waren wir fest entschlossen, unsere geplante Motorradtour nicht platzen zu lassen.

Um Punkt halb 10 Uhr wurden wir von den „Easy Riders“ Throng und Thrung abgeholt. Die beiden Motorradexperten wickelten unsere großen Backpacks in Plastikhüllen, spannten sie mit Seilen hinten auf die Motorräder und sicherten die kleineren Taschen vorne – wir staunten nicht schlecht! Schließlich setzten sie uns Helme auf und wir schwangen uns auf die Räder – die Fahrt konnte beginnen! Der kühle Fahrtwind tat uns gut und trug dazu bei, unsere Magenbeschwerden zu mildern. Etwa eine halbe Stunde später, nachdem Throng und Thrung sich geschickt durch den hektischen Stadtverkehr von Da Nang manövriert hatten, erreichten wir unser erstes Ziel: die Marble Mountains.

Hier besuchten wir zunächst eine beeindruckende Marmor-Kunstausstellung, deren Material den Bergen ihren Namen gab. Wir bewunderten riesige Marmorskulpturen, von Engeln bis zu Brunnen, Schachbrettern und kleinen Glücksbringern – doch die Kunstwerke hatten selbstverständlich ihren Preis. Im Anschluss führte uns Throng zu einem Aufzug, der uns auf den Gipfel der Marble Mountains bringen sollte. Wir entschieden uns gegen das mühsame Treppensteigen angesichts der Hitze und unseres angeschlagenen Gesundheitszustands. Doch je höher der Aufzug stieg, desto blasser wurde Lars‘ Gesicht. Oben angekommen, konnte er die Smoothie Bowl nicht mehr halten und suchte verzweifelt nach einem geeigneten Ort in der heiligen Tempelanlage der Marble Mountains. Er rannte wie ein Irrer an den verwirrten Touristengruppen vorbei, bis er glücklicherweise hinter einem Geländer eine Böschung entdeckte, wo er die Smoothie Bowl loswerden konnte. Nach diesem nervenaufreibenden Zwischenfall erkundete Leslie die prächtigen Tempelbauten und faszinierenden Höhlen, während Lars sich von Bank zu Bank schleppte, um sich zu erholen. Nach jeder Attraktion versicherte Leslie sich, dass Lars noch bei Bewusstsein war, bevor sie an jedem Tempel reichlich Fotos machte, um ihm abends eine virtuelle Führung durch die Marble Mountains geben zu können. Dabei traf sie spontan einen lustigen Vietnamesen, der sich anstelle von Lars neben sie auf ein Foto stellte. Cheese!

Auf dem Rückweg konnte sich auch Lars allmählich erholen. Throng und Thrung sammelten uns am Fuß des Berges ein und brachten uns zu einem Imbiss, wo wir erfrischenden Zuckerrohrsaft serviert bekamen. Wir konnten hautnah miterleben, wie dieser hergestellt wurde. Während wir uns mit dem erfrischenden Getränk abkühlten, präsentierten uns die beiden leidenschaftlichen Motorradfahrer weitere aufregende Touren, die sie mit uns in den nächsten Tagen unternehmen könnten. Sie versprachen uns unvergessliche Erlebnisse abseits der ausgetretenen Touristenpfade, darunter Touren in entlegene Dörfer von ethnischen Minderheiten und ins unberührte Hinterland Vietnams. Obwohl wir bereits die Übernachtungen in Hoi An gebucht hatten, spielten wir mit dem Gedanken, nach unserem dortigen Aufenthalt unsere Reisepläne zu ändern. Wir beschlossen, eine Nacht darüber zu schlafen und dann eine Entscheidung zu treffen. Die vielen unerwarteten Entscheidungen beim spontanen Reisen überraschten – und überforderten – uns immer wieder! 

Schließlich setzten wir uns erneut auf die Motorräder und durchquerten eine malerische Landschaft mit endlosen Reisfeldern und majestätischen Wasserbüffeln auf dem Weg nach Hoi An. Die untergehende Sonne tauchte den Himmel in warme Farben, und schon aus der Ferne konnten wir die leuchtenden Laternen von Hoi An erkennen…


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