Am zweiten Tag unseres Abenteuers in Kambodscha starteten wir den Morgen mit einem leckeren Frühstück in unserem Hostel in Siem Reap. Die Abholung für unsere nächste Tempelrunde war für 9 Uhr angesetzt, sodass wir uns vorher mit einer Müsli Bowl für den Tag stärken konnten. Vor unserer Unterkunft wartete Sarath bereits auf uns: Er erklärte uns, dass Chien nicht sein Bruder war – wie er uns glauben lassen hatte – sondern sein bester Freund. Jedoch passte er manchmal auf seine Töchter auf und somit bat Sarath ihm den einen Tag an, damit er etwas Geld verdienen konnte. Als Tuk Tuk Fahrer war es wohl im Moment nicht leicht, Geld zu verdienen, da sehr wenige Touristen nach Siem Reap kamen, vor allem in der Nebensaison. Sarath machte seinem Ärger Luft: Er beklagte, dass die Regierung zu viele Regeln und Kosten für Touristen aufstellte, sodass viele Reisende sich für ein anderes asiatisches Land entschieden. Das Leben in Kambodscha war wohl im Moment ziemlich frustrierend, wie wir im Laufe des Tages noch erfahren sollten…

Sarath kutschierte uns entlang des Grand Circuit, die große Tempelroute. Zugegebenermaßen fühlten wir uns im Tuk Tuk und durch die Umgebung ab und zu wie König und Königin, doch das gab uns eher ein mulmiges Gefühl. Wir besuchten verschiedene Tempel entlang der Route, wie zum Beispiel Pre Rup und East Mebon. Interessanterweise waren die ersten Tempel des Kreises sehr anders als die Tempel am vorherigen Tag, da sie aus einem braun-rötlichen Stein gebaut waren. Zudem besuchten wir einen bekannten Selfie-Spot der Khmer, den sehr beliebten Neak Pean, ein kleiner Tempel mitten auf einem See.





Anschließend waren wir bereit für das Mittagessen. Sarath brachte uns an einen Ort seiner Freunde, an dem wir wie am Tag zuvor wieder Rabatt auf das Essen bekamen. Nachdem wir Essen bestellt hatten (gebratene Nudeln + Mangosaft), setzte sich Sarath zu uns und plauderte, nachdem wir lange genug nachgebohrt hatten, aus dem Nähkästchen. Die Verzweiflung sprudelte nur so aus ihm heraus: Er war unzufrieden mit der Regierung, mit seiner Situation, und mit der Angst, seine Töchter nicht zur Schule schicken zu können. Als Tuk-Tuk-Fahrer war er Teil der sogenannten Airport Line, in der 140 Tuk Tuks in einer Reihe warteten, bis sie an Stelle eins der Reihe ankamen. Dies bedeutete 8 bis 9 Tage Wartezeit. Die einzige Möglichkeit, mehr Arbeit zu bekommen, war aufmerksam zu bleiben, und einen Platz zu übernehmen, wenn ein anderer Tuk-Tuk-Fahrer nicht kam. Sarath erklärte uns, dass er sein Tuk Tuk für 2000 Dollar gekauft hatte, um als Tuk-Tuk-Fahrer arbeiten zu können. Das Geld hat er sich bei der Bank geliehen, sodass er in 36 Monaten seine Schulden mit 20,67 % Zinsen pro Jahr zurückzahlen musste. Zudem musste er die Schule seiner Töchter bezahlen, die 60 Dollar im Monat kostete. Er hatte insgesamt drei Kinder, 12, 9 und 2 Jahre alt, die er gemeinsam mit seiner Frau versorgen musste. 50 Dollar brauchte er im Monat, um seine Familie mit dem Nötigsten zu versorgen. Umgerechnet benötigte er also ungefähr 200 bis 250 Euro im Monat, um alle Kosten zu decken. Weil jedoch im Moment zu wenig Touristen da waren, verdiente er zu wenig, und war bei der Bank bereits drei Monate im Verzug, da er lieber seine Töchter in die Schule schicken wollte. Außerdem hatten in den letzten Jahren die Chinesen investiert und einen Flughafen gebaut, der zwei Stunden von dem alten entfernt liegt und deshalb mit dem Tuk Tuk nicht zu erreichen ist. Somit würde am Tag der Eröffnung des neuen Flughafens, am 15. Oktober, Sarath seinen Job als Tuk-Tuk-Fahrer in der Airport Line verlieren. Das Schicksal Saraths erschütterte uns und machte uns gleichzeitig traurig. Die einzige Möglichkeit, ihm zu helfen, war ihm in den letzten Wochen noch Arbeit zu bieten, daher verabredeten wir mit ihm, dass wir den nächsten Tag nochmal mit ihm eine Tour machen wollten. Anschließend besichtigten wir den letzten Tempel des Tages, um uns auf andere Gedanken zu bringen.




Bei unserer Rückkehr ins Hostel lachte uns der Pool so sehr an, dass wir beschlossen, uns von der Tempel-Tour dort nachmittags zu erholen. Wir schmissen uns in unsere Badesachen. Während Leslie ihre Füße ins Wasser hing und den Blog schrieb, fand Lars direkt eine nette Niederländerin, die er zu einer Schachpartie herausfordern konnte. Am Abend wollten wir die traditionelle Khmer Küche erleben. Mit der Hilfe von Google Bewertungen fand Lars das Restaurant „Tevy’s Place“, einen sehr gut bewerteten Ort zum Abendessen. Wir machten uns frisch und zogen los zu Tevy, wo wir das traditionelle Gericht „Amok“, ein Fisch-Curry (für Leslie mit Champignons) probieren konnten – und es stellte sich als bestes Curry heraus, das wir je gegessen hatten. Als wir zurück zum Hostel kamen, hatten wir noch eine halbe Stunde Ruhe vor dem Sturm, denn wir hatten uns für den „Pub Crawl“ durch Siem Reap angemeldet. Zuvor wollte Lars noch seine Wäsche, die er am Morgen abgegeben hatte, in der gegenüberliegenden Wäscherei abholen. Doch als er erst nach einer Dreiviertelstunde wieder zurückkam, erzählte er Leslie, dass er nicht genug Riel in der Tasche hatte (da er die Scheine, die so schwer auseinanderzuhalten waren, verwechselt hatte). Deshalb musste er zur Bank, die Bank spuckte ihm nur einen 100 Dollar Schein aus, den weder das Hostel noch die Wäscherei in umgerechnet ein 50ct Stück umtauschen konnte. Doch der Besitzer freute sich so sehr über sein Wiederkommen (vermutlich hatte er es nicht erwartet…), dass er ihm ein Bier in die Hand drückte. So kamen die beiden ins Gespräch, Lars erzählte von seinem Jonglierhobby, und der Mann bat ihn, seinen Kindern ein bisschen Jonglierkunst zu zeigen. Leslie wollte sich dieses Spektakel natürlich nicht entgehen lassen. Zusammen zogen wir von unserem Hostel – wohlgemerkt in pinken T-Shirts, mit denen wir uns schon für den Pub Crawl vorbereitet hatten – los zur Wäscherei. Dort bekam Leslie auch direkt ein Bier in die Hand gedrückt, dass sie als Nicht-Biertrinkerin dann doch annahm, da sie schon den frisch gegrillten Fisch ablehnen musste. បាតឡើង! Prost! Anschließend gab Lars eine kleine Jonglier-Performance zum besten, bei der sogar die Nachbarn aus ihren Häusern kamen und über den Zaun lugten. Danach brachte er den Kindern Jonglieren bei, erst mit einem Ball, dann mit zwei, und die älteste schaffte sogar den Anfang mit drei! Auch die Eltern probierten sich an der Jonglage, und es stellte sich heraus, dass einer der Väter schon drei Bälle jonglieren konnte. Wir lachten den ganzen Abend zusammen, stießen gemeinsam an, und hatten viel Spaß. Wir fanden heraus, dass der Besitzer der Wäscherei mit Sarath Volleyball spielte und schickten ihm direkt ein Selfie. Dann waren die Kids dran mit Unterrichten: Das kleine Mädchen zeigte Lars einen traditionellen Tanz mit Gesang und versuchte, ihm den Text und die Schritte beizubringen – leider mehr oder weniger vergeblich. Nach zweieinhalb Stunden mussten wir uns leider verabschieden, da wir noch den Pub Crawl vor uns hatten. Wir fielen uns gegenseitig in die Arme und bedanken uns für diese außergewöhnliche und herzliche Erfahrung. Für uns war diese Begegnung mit den Locals aus der Wäscherei eines der Highlights unserer Reise.



Zurück im Hostel wurde uns direkt der Free Cocktail in die Hand gedrückt, der nach den zwei drei Bier schnell seine Wirkung entfaltete. Gut gelaunt lernten wir ein paar andere Teilnehmer der Bar-Tour kennen, bevor der Guide eine Ansage machte: „We will go into three bars. You will get free shots everywhere. If you feel uncomfy, talk to These guys here, because I will be completely wasted! Let’s go!“ Er deutete auf die zwei weiteren Guides und trieb uns dann an, ihm zu folgen. Nach zehn Minuten Fußweg und ungefähr zwanzig ausgewichenen Laternen erreichten wir die erste Bar. Dort tanzten wir zur Musik, sangen Karaoke und spielten eine Runde Billard, bevor der Crawl zur zweiten Bar weiterzog, eine Rooftop Bar. Als wir gerade oben ankamen, fing es an, wie aus Eimern zu schütten. Nach ein paar Minuten waren wir alle triefnass, doch tanzten munter im Regen weiter. Durchgeweicht machten wir uns nach einer weiteren Stunde auf den Weg zur nächsten Bar, an der wir uns heimlich vorbeischlichen, da wir komplett durchgeweicht waren, Leslie fror, und wir am nächsten Morgen um 7 Uhr ein Date mit Sarath hatten. Obwohl wir unser Kreuz auf dem T-Shirt „Made it to the last bar“ nicht abhaken konnten, werden wir diese wilde Party nie vergessen…
